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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 399

1859 - Lübeck : Rohden
Xxi. §. 5. Kreuzzug Wider die Wenden. 399 heit in den kirchlichen Lehren zu erlangen. Im Mittelalter nannte man solche dialektische Theologen Scholastiker und ihre Ausgabe war: jede kirchliche Lehre mit der größtmöglichen Schärfe und Gründ- lichkeit festzustellen, gegen alle Einwendungen zu vertheidigen und mit haar- spaltender Genauigkeit ihre Anwendung nach jeder Seite hin aufzuweisen. Als Führer der langen, langen Reihe von Scholastikern des Mittelalters stand dem Bernhard der berühmte Abälard gegenüber. Aber Abä- lard war nicht so fromm als er gelehrt war, Deshalb hat er schwere Demüthigungen erdulden müssen, und Bernhard wurde es nicht schwer, ihn zu überwinden. Aber seine Schüler waren unendlich zahlreicher als die Bernhard' s. Denn durch den genauen Verkehr Deutschlands mit dem noch von alter Zeit her gebildeten Italien, mit den scharfsinnigen und ver- schmitzten Griechen, mit den phantastischen und überschwänglichen Völ- kern des Morgenlandes, Christen und Saracenen, war in fortgehender Steigerung ein so gewaltiger Drang und Trieb nach eigner Weiterbil- dung unter die Deutschen und ihre nächsten Nachbarn gekommen, daß mit dem Beginn des zwölften Jahrhunderts wie aus einer geöffneten Thür uns eine unabsehbare Schaar von Gelehrten und Schriftstellern, von Dichtern und Sängern, von Künstlern und ausgezeichneten Män- nern aller Art entgegentritt. Es ist die Vlüthezeit des Mittelalters, in die wir eingetreten sind — die höchste Mannigfaltigkeit der Gaben, Kräfte, Talente, Aemter, Würden, Trachten, Sitten unter der Alles überschattenden Einheit der von Gott hoch erhobenen römischen Kircke und des päpstlichen Scepters. §. 5. Kreuzzug wider die Wenden. Zu gleicher Zeit mit dem zweiten Kreuzzug wider die Sarace- nen, der so unglücklich auslief, wurde noch ein anderer Kreuzzug un- ternommen, der das weite Reich des Papstes wieder um ein bedeuten- des Stück vergrößerte. Es ist schon früher erwähnt (S. 376), daß die schönen Eroberungen und Stiftungen Heinrich' s I. und der Ottonen zwischen Elbe und Oder unter den schwächeren Kaisern, besonders unter Heinrich Iv. fast gänzlich wieder verfallen waren und daß auch Polen und Böhmen immer nur in sehr zweifelhafter Abhängig- keit vom deutschen Reiche standen. Polen war aber indeß, eben so wie Böhmen, ein durchaus christliches Land geworden, hatte Bischöfe und Erzbischöfe, Kirchen und Klöster und sorgte für Ausbreitung deö Christenthums auch in denjenigen heidnischen Ländern, die es eroberte, absonderlich in Pommern. Der Polenherzog Boleslav lud selbst den deutschen Bischof Otto von Bamberg ein, mit ihm und unter- feinem Schutz nach Pommern zu ziehen, um die reichen und lebens- frohen Pommern zu bekehren. Wirklich gelang es dem Bamberger Bischof und dem polnischen Herzog, die Kirche in Pommern wenig- stens zu begründen. Dagegen die vom Kaiser und von den Sach-

2. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 400

1859 - Lübeck : Rohden
400 Xxi. §. 5. Kreuzzug wider die Wenden. senherzögen eingesetzten Markgrafen im Wendenland und die Erz- bischöfe von Magdeburg hatten nun fast hundert Jahre hindurch zu- gesehen, wie alle christlichen Stiftungen im Wenden lande zwischen Elbe und Oder immer auf's Neue wieder von den empörten Heiden vernichtet wurden, also daß auf dem rechten Elbufer nur gar wenig Christen zu finden waren. Als nun Bernhard von Clairvaux im Namen des Papstes Eugen die Deutschen zur Kreuzfahrt nach Jerusalem aufforderte, antworteten mehrere norddeutsche Fürsten ganz verständig: sie hätten Heiden genug in der Nähe zu bekämpfen und brauchten deshalb nicht erst nach Asten zu ziehen. Dem frommen Bernhard war solche Antwort höchst befremdend. Er hatte gar nicht geglaubt, daß an den Grenzen, ja eigentlich im Schooße des deutschen Reichs die Heiden seit Jahrhunderten von den christlichen Fürsten in Ruhe gelassen wurden. Er strafte die Fürsten hart ob solcher Säumigkeit und betrieb jetzt selbst die Unternehmung eines Kreuzzuges gegen die heidnischen Wenden mit größtem Eifer. Die- selben Gnaden und Segnungen wie den Kreuzfahrern gegen Jeru- salem sollten denen zu Theil werden, die das wendische Kreuz näh- men (1147). Es war ihrer eine ziemlich bedeutende Zahl, an der Spitze der Herzog von Sachsen Heinrich der Löwe und dessen Schwiegervater Herzog Konrad von Zähringen (dessen Besitzungen im Elsaß, Baden, Schweiz und Burgund zu suchen sind). An 100,000 Streiter zogen mit ihnen. Sie theilten sich in zwei Haufen. Der eine wandte sich gegen Niclot, den Obotritenfürst, dessen Reich an dem Ufer der Ostsee entlang etwa von Lübeck bis nach Stralsund reichte. Der andere zog von Magdeburg aus gegen die untere Oder. Große Kriegsthaten sind freilich nicht geschehen; aber der Hauptzweck des Zuges wurde erreicht. Der Schrecken über solch ein gewaltiges, von kirchlichem Eifer erfülltes Heer war unter den Wen- den so groß und wirkte so nachhaltig, daß überall das Christenthum ohne Widerstreben zugelassen wurde. Ueberall wurden Kirchen und Klöster, Domstister und Schulen neu gegründet oder wiederhergestellt; Priester und christliche Ansiedler aus Deutschland kamen in's Land; der Herzog von Sachsen und seine Grafen konnten ungestört und mit fester Hand die christliche Herrschaft führen, und wenn auch lang- sam, so ging doch Schritt vor Schritt das bisher so widerspenstige, rohe, abgöttische Volk einer völligen Umwandlung entgegen. Der letzte heidnische Tempel, der umgestürzt wurde, war der Tempel des Svan tev i t auf der Nordspitze Deutschlands, zu Arcona auf Rügen; er wurde 1169 von den Dänen zerstört.

3. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 401

1859 - Lübeck : Rohden
Xxi. §. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I. rc. 401 Schwerlich würde dies Ziel im nordöstlichen Deutschland so bald erreicht sein, wenn nicht eben damals in der Mark Brandenburg ein Mann aufgetreten wäre, den wir mit Stolz und Freude als den Be- gründer des später so ruhmreichen brandenburgisch-preußischen Staates begrüßen. Markgraf Albrecht von Ballenstädt, gewöhnlich Albrecht der Bär genannt, aus dem Hause der Askanier, war vom Kaiser Lothar von Sachsen 1134 und dann noch förmlicher von Kaiser Konrad Iii. 1142 mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt und zwar so, daß er nicht mehr abhängig von Sachsen, sondern als selb- ständiger Reichsfürst seine Markgrafschaft erblich besitzen solle mit allen den Ehren und Rechten, welche sonst nur Herzögen zukommen. Er ward Erzkämmerer des deutschen Reichs, so wie die übrigen Herzöge Erzmarschall, Erzmundschenk, Erztruchseß u. s. w. waren. Er benutzte den erwähnten wendischen Kreuzzug sogleich, um seine Herrschaft bis an die Oder auszubreiten, und war entschlossen, das Heidenthum um jeden Preis niederzukümpfen und das Christenrhum zur alleinigen Herrschaft zu erbeben. Deshalb berief er sofort deutsche, besonders holländische Colonisten in das entvölkerte und verödete Land, die den Boden fleißig anbauten, Städte gründeten und zahlreiche Dörfer anlegten, lieberall erhüben sich die schützenden Burgen mächtiger Ritter, gelehrte Mönche und fromme Priester kamen schaarenweise herbei; die lange darnieder- liegenden Bisthümer von Havelberg und Brandenburg wurden glänzender als je wieder aufgerichtet und fester begründet. Auch die seit dem ersten Kreuzzug im gelobten Lande gestifteten kriegerischen Mönchsorden der Johanniter und Tempelherren bat ec um Ueberlassung einer Anzahl von Brüdern und Rittern, die mit den Werken der Liebe und mit der Kraft des Schwertes die Ueberreste des Heidenlhums völlig zu Boden werfen sollten. Und wunderbar blühte das Land unter seiner eignen und seiner askanischen Nachfolger kräftiger Leitung auf. Ueberall wurden Wälder ausgerodet, Sümpfe ausgetrocknet, öde Haidestrecken urbar gemacht, Wohlstand und rege Thütigkeit konnte man nach allen Seiten hin mit Behagen wahrnehmen. Selbst die Wenden, die als Besiegte das schwere Loos hatten, Leibeigene der deutschen Sieger zu werden, wurden von der frischen und strebsamen Thätigkeit der deutschen Ansiedler mit fortgerissen, entsagten dem trägen Brüten und sinnlichen Nichtsthun und wetteiferten mit ihren Grundherren im Anbau des Bo- dens und in der Erweiterung der Cultur. Die mildere Sinnesart, die mit dem Christentyum in's Land gekommen war, verschaffte vielen solcher wendischen Dienstleute die Freiheit und allmälig verschmolzen sie mit ihren deutschen Ueberwindern zu einem kräftigen und lebens- frischen Volksstamm, dem eine große Zukunft aufbehalten war. §. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I. und den König von England. Hatten bisher die Päpste seit Gregor's Vii. Zeit einen Sieg nach dem andern über die Kaiser und Könige erlangt und ihre theo- kratische Oberherrschaft trotz alles Widerstandes immer durchführen v. Nohden, Leitfaden. 26

4. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 445

1859 - Lübeck : Rohden
Xxii. §. 6. Erstes Hervortreten Frankreichs als Feind und Dränger re. 415 Wir müssen hier noch besonders an zwei wichtige Erwerbungen deutscher Fürstenhäuser erinnern, welche zwar nur für jene Uebergangs- zeit gelten sollten und deshalb auch selber vorübergehend waren. Aber sie bereiteten doch die künftigen bleibenden Zustände vor und dienen zu- gleich zur Erklärung der Haltung und des Schicksals des Kaisers Ludwig. Das war nämlich die Erwerbung der böhmischen und mäh- rischen Lande durch das Haus Luremburg, und der Mark Branden- burg durch das bayerische Hauö Wittelsbach. Auf Böhmen und Mähren, sahen wir, hatten schon längere Zeit die östreichischen Habs- burger gewartet, aber es war ihnen für jetzt noch nicht beschieden. Sie sollten erst in den neu erworbenen östreichischen Landen tiefer unter sich wurzeln und sich läutern, ehe ihrer Hand das Größere vertraut würde. Dagegen konnte Kaiser Heinrich der Luxemburger gleich beim Antritt seiner Regierung seinen Sohn Johann mit dem böhmischen Reich belehnen, und so dem luremburgischen Geschlecht eine Hausmacht in Deutschland gründen, welche es ein ganzes Jahrhundert hindurch zu einem der mächtigsten und angesehensten Fürstengeschlechter erhob und lange Zeit auch in Besitz der Kaiserkrone erhielt. Schon jener Jo- hann, Heinrich's Vii. Sohn, würde ohne Zweifel seinem Vater in der Kaiserwürde gefolgt sein, wenn er nicht noch unmündig gewesen wäre. Aber Johann's Sohn, Heinrich's Enkel, war eben jener Carl Iv., aus den nach Ludwig's Tode die Kaiserkrone überging (1347) und bei vessen Geschlechts sie blieb bis 1437. Ludwig der Bayer aber hatte seine kaiserliche Gewalt nicht minder zur Erweiterung seiner Haus- macht benutzt. Das ehrenwerthe ballenstädtische Haus, welches seit Albrecht dem Bär die Markgrafschaft Brandenburg besessen und tressiich verwaltet hatte, war 1320 ausgestorben, und jetzt hatte der Kaiser seinen gleichnamigen Sohn Ludwig mit jenen großen und blühenden Gebieten belehnt — nicht zum Segen der Markgrafschaft. Während Ludwig's und der späteren bayerischen Markgrafen Verwal- tung (1324—73) sank das bisher so wohl gepsiegte und fröhlich sich entwickelnde Land durch die Feindschaft mächtiger Gegner, durch innere Zwistigkeiten, durch Nachlässigkeit und Untüchtigkeit der Fürsten in eine traurige Zerrüttung, die später schwer zu heilen war. Wie hätte es auch anders sein können, da sogar das Oberhaupt der Christenheit, Papst Johann Xxii., die rohen polnischen Slavenhorden, ja die heidnischen Lithauer in's Land rief und sie zu allen Verwüstungen, Greueln und Freveln ermuthigte, nur um dem verhaßten Kaiser Ludwig und dessen Sohn dem Markgrafen, desto empfindlicher« Schaden zu thun. Der Kaiser freilich säumte seinerseits auch nicht, dem Papst mit gleichem Maße zu messen. Aber seine Unternehmungen waren viel zu gewagt und unbedacht, als daß sie ihren Zweck hätten erreichen kön- nen. Sie wandten sich vielmehr wider ihn selber zurück. Ungewarnt durch das Beispiel Heinrich's Vii., der sich der italienischen Kaiser- herrlichkeit wieder einmal hatte gelüsten lassen und dadurch seinen frühen Tod herbeigeführt, ging auch Ludwig nach Italien, um den Papst im Mittelpunkte seiner Macht anzugreifen. Aber nachdem er sich dort von etlichen gebannten Bischöfen die Kaiserkrone hatte aufsetzen,

5. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 452

1859 - Lübeck : Rohden
452 Xxü. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Papstthums. hat freilich sein roher und träger Sohn Wenzel wieder umgestürzt oder verfallen lassen. Doch blieb Böhmen noch immer eines der am meisten vorgeschrittenen deutschen Länder. Schwerer mußten es die Marken empfinden, daß die feste und weise Hand Kaiser Karl's nicht ntehr die Regierung führte. Sie kamen in die Hände Sieg- ln und's, der aber viel zu sehr mit der Erwerbung der ungarischen Krone beschäftigt war (er hatte die Erbtochter von Ungarn geheirathet) und seine deutschen Länder schmählich aussaugen und verkommen ließ. Aber dieser jammervolle Zustand sollte für die Mark Brandenburg nur Einleitung und Uebergang sein für eine desto schönere und bedeutungsvolle Zu- kunft, die mit dem Eintritt des glorreichen und gesegneten hohenzoller- schen Hauses begann. Unfähig, die Marken selber zu verwalten, in be- ständiger Geldverlegenheit und dem Burggrafen Friedrich mannig- fach verpflichtet, übergab Siegmund dem Hohenzoller Friedrich, Burggraf von Nürnberg, die Mark Brandenburg, erst nur pfandweise, dann 1415 als eignes Kurfürstenthum, ihm und seinen Erben mit allen Rechten eines deutschen Reichsfürsten und Erzkämmerers. Damals ahnte Siegmund schwerlich, wie schnell sein eigner Stamm ver- löschen und wie hehr und gewaltig der königliche Baum erwachsen werde, dessen erstes Reis er damals in den brandenburgifchen Boden senkte. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Pap st th ums. Schwerlich würde Deutschland den großen Umschwung seiner Verfassung, da es aus einem Lebenstaat zu einer Fürsten- und Stüdte- republik sich umgestaltete, so ungestört haben vollziehen können, wären nicht seine beiden alten Widersacher, Frankreich und die Päpste, voll- ständig nach einer andern Seite in Anspruch genommen und selbst in einem bedenklichen Rückgang ihrer Macht begriffen gewesen. Frank- reich war in einen schweren Krieg mit England verwickelt; denn der König Eduard Iii. behauptete nach dem Aussterben der Hauptlinie der Capetinger (1328), ein näheres ^Anrecht auf den französischen Thron zu haben als die Seitenlinie der Valois, und da nun König Philipp Vi. von Valois die englischen Besi- tzungen in Frankreich angriff (fast das ganze südwestliche Frank- reich gehörte damals dem englischen Könige), so entspann sich ein blutiger und langwieriger Krieg, der hauptsächlich auf fran- zösischem Boden ausgefochten wurde und das französische Reich mehr als ein Mal an den Rand des Verderbens brachte. In der furchtbaren Schlacht von Cressy 1346 sollen elf französische Prinzen und 1200 Ritter umgekommen sein. In der Schlacht von Poitierö 1356 wurde König Johann, der seinem Vater Philipp

6. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 357

1859 - Lübeck : Rohden
Xix. §. 16. Eintritt der Mähren, Böhmen !I. Polen in die christliche Kirche. Z57 getroffen, daß die römische Form und Sprache bei den Mähren nicht in Vergessenheit gerieth, sondern allmälig wieder die Oberhand bekam und die slavischen Gottesdienste beschränkte. Trotz aller Versuche Svatopluk's, sich und sein Reich dem deutschen Einfluß wieder zu entziehen, trotz aller seiner Kämpfe gegen Ludwig des Deutschen Sohn und Enkel: Karl den Dicken (876—888) und Arnulf 887—899), sah er sich durch die römische Geistlichkeit wie mit un- widerstehlichen Klammern an das christliche Nachbarland gefesselt, und man sagt, daß der Mißmuth über die Erfolglosigkeit seines Stre- bens ihn endlich bewogen habe, die Regierung niederzulegen und seine letzten Tage als Einsiedler hinzubringen. Die furchtbaren Ma- gyarenkriege, die nun begannen und mit der Zertrümmerung des mähri- schen Reiches endeten, zerstörten zwar einen großen Theil der christ- lichen Schöpfungen wieder. Doch erstarkte allmälig die Macht und der christliche Sinn der Böhmen und es erweiterte sich das Gebiet des Böhmerherzogs so sehr, daß das Erzbisthum Prag mit mehre- ren untergeordneten Bisthümern seinen Bestand hinlänglich gesi- chert sah. Es dauerte übrigens noch geraume Zeit, bis ganz Böhmen (das heißt nach dem Zerfall des mährischen Reichs die jetzigen Länder Böh- men und Mähren) völlig für das Christenthum gewonnen war. Sehr lange kämpfte auch hier noch eine heidnische Partei gegen die Allein- herrschaft der christlichen Kirche. Der erste Böhmenherzog, der das Christenthum am Hofe feines Oberherrn, des Svatopluk von Mäh- ren, kennen gelernt und angenommen hatte, Borziwoi, wollte sogleich das Heidenthum aus seinem Land und Volk ausgerottet wissen. Aber die Heiden hatten noch die Uebermacht im Lande. Sie verjagten den christlich gewordenen Fürsten, und nur nach schweren Kämpfen ver- mochte er sich wieder in den Besitz seines Herzogthums zu setzen. Dieselbe Unentschiedenheit dauerte noch unter Borziwoi's Sohn Wratislav fort, und als dieser starb, 925, schien das Heidenthum wieder den vollständigen Sieg gewinnen zu wollen. Denn seine Wittwe Drahomira, die sich der Regierung bemächtigte, stellte sofort alle heidnischen Tempel und Götzen wieder her, ermordete ihre fromme Schwiegermutter Lud milla, die Wittwe Bor z i wo i's, und verfolgte alle Christen, besonders die Geistlichkeit in ihrem Lande. Eben so machte es ihr jüngerer Sohn Boleslav, der den ältern Bruder Wenzeslav, einen eifrigen Christen, aber untüchtigen Regenten, 938 vom Throne stieß, ermordete und mit allem Eifer das Heidenthum wie- der aufzurichten suchte. Aber die Hand des Herrn wußte ihn zu fin- den. Schwere Unglücksfälle brachen über ihn herein. Im Kriege ge- gen die Deutschen erlitt er eine Niederlage über die andere, in sein eignes Haus war Noch und Elend gedrungen. Gegen sein Lebensende beugte er sich, anfangs widerwillig, nachher in freier Ueberzeugung vor

7. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 382

1859 - Lübeck : Rohden
382 H §• 9. Uebergang des Kaiserthums vvn dem sächsischen Hause re. lichkeit in den Bisthümern und Klöstern immer ausgedehntere Be- fugnisse und herrschaftliche Rechte zugestand. Die deutschen Bischöfe waren seine Minister, seine Feldherren und seine Unterhändler und Ge- sandten, sie bildeten seine Kanzlei und seinen Staatsrath, ihnen ver- traute er am liebsten die Verwaltung der deutschen Territorien an. Fast kein Abt oder Bischof war da, der nicht ein bedeutendes Landge- biet besessen und es als Graf oder mit herzoglichen Rechten zu verwalten gehabt hätte. Auf die Anhänglichkeit der Geistlichen suchte Heinrich die Sicherheit und Macht seines Thrones zu gründen. Sein Nach- folger Konrad Ii. dagegen wählte ein anderes Mittel. Er begün- stigte die damals besonders im südlichen Deutschland aufblühen- den Städte, er suchte die Reichsdienstmannen und die freien Leute wieder mehr in das Interesse des Königs zu ziehen, er hob den niedern Adel, die kleineren Lehensträger, absichtlich empor gegen die großen Herzöge und Markgrafen, deren Zahl und Macht er möglichst zu verringern suchte. Und wirklich schienen diese Maßregeln für den Augenblick einen guten Erfolg zu haben. Denn unter Konrad Ii. (1024—1039), dem ersten fränkischen Kaiser, der aus der freien Wahl des deutschen Volkes hervorging, hob sich die königliche Macht in Deutschland wieder zusehends, sowohl im Innern als nach außen. Zwar die Mark Schleswig ging für immer an den Dänenkönig ver- loren. Aber das Wendenland und Polen mußte die deutsche Ober- hoheit wieder anerkennen. Vor allen Dingen: das burgundische Reich wird theils durch Waffengewalt, theils durch Erbschaft mit Deutschland vereinigt. Auch in Italien war der deutsche Einfluß wieder im Zunehmen begriffen, wiewohl noch viel fehlte, daß der Kai- ser sich als Herr des Landes betrachten, sich als Schirmvogt des Papstes und der gesammten Kirche hätte beweisen können. Oder vielmehr hätte beweisen wollen. Denn dem fränkischen Kaiserhause fehlte der kirchliche Sinn. Obwohl sich dem Kaiser Konrad persön- liche Frömmigkeit nicht absprechen läßt, so hatte er doch nicht das mindeste Verständniß noch Interesse für kirchliche Dinge. Nur wie weit die Bischöfe und Siebte seinem hochstrebenden Herrsschergelüst dienten, waren sie ihm werth und wichtig. Uebrigens bekümmerte er sich we- der um die Reformation im Innern (die Heinrich Ii. anzubahnen suchte), noch um die Mission nach außen. Ungestört durften die wen- dischen Vasallen ihre heidnischen Götzenbilder vor dem kaiserlichen Heere einhertragen und alle Bitten und Gegenvorstellungen der geärgerten Ehristen ließen den Kaiser unbewegt. Ungescheut knechtete er selbst die Kirche und ihre Diener wie und wo er nur konnte, ohne zu ahnen,

8. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 451

1859 - Lübeck : Rohden
Xxii. §. 8. Die neue Staatskunst der luxemburgischen Kaiser. 4o1 Rathhäuser, die kühnen Thore und Thürme, die öffentlichen Gebäude mit ihrem überreichen Schnitzwerk und ihren vielbewunderten Kunst- schätzen mannigfacher Art. Kurz, in den Städten entfaltete sich theils unter dem Schutze einsichtiger Fürsten, größtentheils aber in völligster Freiheit jener ganze Wunderbau germanischen Bürgerthums, der unser deutsches Volk weit über alle anderen Völker erhoben hat. Es ist leicht begreiflich, daß bei solchem Neichthum innern Lebens das deutsche Volk sich nicht sehr um die Abwesenheit oder Schwäche der Kaisermacht bekümmerte. Wenn auch die Fürsten oder einzelne Corporationen, welche durch übermächtige Gegner Noth litten, die Her- stellung eines kräftigen kaiserlichen Regimentes wünschten und auch einmal den Versuch machten, an des „faulen" Wenzel Stelle einen andern, thätigern Fürsten, den Ruprecht von der Pfalz zum Kai- ser zu erheben (1400—1410), so blieb doch das Volk im Ganzen von diesem Wechsel unberührt. Früher würde doch wenigstens ein Kampf zwischen den beiden Gegenkaisern und ihren Anhängern entstanden sein; jetzt fiel es fast Niemandem ein, sich entweder für den Wenzel oder den Ruprecht zu entscheiden und Partei zu nehmen. Man kümmerte sich um den Einen so wenig, wie um den Andern. Selbst als Wen- zel mehrere Male in die Gefangenschaft seines eignen Bruders Sieg- mund gerieth, griffen die deutschen Reichsfürsten nicht ein, wenig- stens nicht in kräftiger und entscheidender Weise. Was die Luxemburger im Innern ihrer Erbländer thaten, das ging ja, so war die Stim- mung, keinen der deutschen Fürsten etwas an. Und doch war ihre Wirksamkeit in jenen östlichen Gebieten Deutschlands von der größten Wichtigkeit und Bedeutung. Sie haben diese slavischen Länder erst eigentlich für Deutschland erobert, zu vorwiegend deutschen Län- dern gemacht. So wenig Karl Iv. für Deutschland gethan hat, so thätig und einsichtig sorgte er für sein liebes Böhmen. Da wußte er vor allen Dingen die öffentliche Sicherheit und die Gerechtigkeitspstege wieder herzustellen, da war er unablässig beschäftigt, Wege zu bahnen, Brücken und Straßen anzulegen, Flüsse schiffbar zu machen, den Land- bau, Handel und Gewerbe zu beleben. Deutsche Ansiedler zog er in's Land, begünstigte ihre Sprache, ihre Gesetze, ihre Sitten, ihre betrieb- samen Unternehmungen. Gelehrte und Künstler fanden an seinem Hofe ehrenvolle Aufnahme. Die böhmischen Städte strahlten von Prachtbauten, Kirchen und Palästen, die er aufführen ließ, in Prag er- richtete er (1348) eine Universität, neben Heidelberg die erste in Deutsch- land. Und wie für Böhmen, so sorgte er mit gleichem Eifer für Schlesien, für die Lausitz, für Brandenburg, denn alle diese weiten Landschaften hatte er theils durch Heirath, theils durch Erbvertrag oder Ankauf zu seinem Böhmen und Mähren hinzugezogen, so daß sich sein Erbreich im Osten Deutschlands fast von der Donau bis zur Ostsee erstreckte. Viel von dem, was dieser thätige und geistreiche Fürst, der leider nach seiner welschen Art nur zu sehr den „materiellen Interessen" dienstbar war, für das Wohl seiner Länder gegründet und aufgebaut, 29*

9. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 358

1859 - Lübeck : Rohden
358 Xix. §. 17. Papst Nicolaus I. und die Kirchenspaltung. dem Gott der Christen, und durch seinen Sohn, Boleslav den Mil- den. ward die Gründung der böhmischen Kirche vollendet. Sie er- starkte bald so sehr, daß von ihr aus Missionsversuche in der Nähe und Ferne unternommen wurden, unter den benachbarten Magyaren und unter den heidnischen Preußen an der Ostsee. Der berühmte Bischof Adalbert von Prag stand selber an der Spitze. Doch hatten diese Versuche keinen nennenswerthen Erfolg. Dagegen ward von Böhmen aus das Christenthum nach Polen hinübergepflanzt, freilich nicht sowohl durch Missionare als durch eine politische Verbindung. Der Polen- herzog Miecislav verlangte die böhmische Prinzessin Dambrowka zur Ehe. Aber die christliche Prinzessin wollte nicht anders einwilligen, als wenn ihr Gemahl zum Christenthum überträte. Er that es und alles Volk mußte ihm folgen (966). Der alte heidnische Cultus wurde mit Gewalt unterdrückt, die Polen zur Annahme christlicher Gebräuche gezwungen, und jede heidnische Widersetzlichkeit strenge geahndet. Auch in Polen ward ein römisches Erzbisthum gegründet mit mehreren Bis- thümern, und somit auch diese wichtige Kirchenprovinz dem großen Kirchensystem des Abendlandes eingeordnet. Im Ganzen mögen wir also sagen, daß mit dem Anbeginn des zweiten Jahrtausend nach Christo die Christianisirung des nördlichen und östlichen Europa vollendet war. Denn die damals noch übrigbleibenden heidnischen Länder, nämlich die Ostseeprovinzen Pommern, Preußen, Liefland, Litlhauen, Esthland, Kurland, dazu Finnland und selbst noch ein Theil von Holstein, von Mecklenburg und der brandenburgischen und schlesischen Landen wa- ren so sehr von christlichen Ländern und Fürsten umgrenzt und einge- schlvssen, daß auch sie nothwendig in der Kürze dem allgemeinen Zuge folgen und in die christliche Kirche eintreten mußten. §. 17. Papst Nicolaus I. und die Kirchenspaltung. Während sich die römische Kirche und somit das Gebiet der päpstlichen Herrschaft nach allen Seiten ausbreitete, saßen freilich auf dem päpstlichen Stuhl keine solche Männer, die in Wahrheit als Oberhirten der ganzen lateinischen Christenheit sich erwiesen. In die Streitigkeiten der römischen Großen und der italienischen Fürsten ver- flochten, ohne persönliche Kraft und Würde, ließen sie es ruhig ge- schehen, daß Geistliche und Mönche in der Ferne wie in der Nähe des päpstlichen Hofes verwilderten, in Unwissenheit und Rohheit da- hinlebten, abergläubischen Mißbrauch des Heiligen einführten und be- förderten, und ihre Sprengel auf unverantwortliche Weise verwahr- losten. Inzwischen griffen die Herrscher in allen Theilen des aufge- lösten Frankenreiches zu, rissen das Kirchengut an sich, besetzten die geistlichen Stellen nach ihrem Belieben, größtentheilö mit unwürdigen Leuten, vergewaltigten die Bischöfe, schnitten ihnen die Verbindung mit den Päpsten ab und brachten die Angelegenheiten deö gesammten
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