Xxi. §. 5. Kreuzzug Wider die Wenden.
399
heit in den kirchlichen Lehren zu erlangen. Im Mittelalter nannte
man solche dialektische Theologen Scholastiker und ihre Ausgabe
war: jede kirchliche Lehre mit der größtmöglichen Schärfe und Gründ-
lichkeit festzustellen, gegen alle Einwendungen zu vertheidigen und mit haar-
spaltender Genauigkeit ihre Anwendung nach jeder Seite hin aufzuweisen.
Als Führer der langen, langen Reihe von Scholastikern des Mittelalters
stand dem Bernhard der berühmte Abälard gegenüber. Aber Abä-
lard war nicht so fromm als er gelehrt war, Deshalb hat er schwere
Demüthigungen erdulden müssen, und Bernhard wurde es nicht schwer,
ihn zu überwinden. Aber seine Schüler waren unendlich zahlreicher als die
Bernhard' s. Denn durch den genauen Verkehr Deutschlands mit dem
noch von alter Zeit her gebildeten Italien, mit den scharfsinnigen und ver-
schmitzten Griechen, mit den phantastischen und überschwänglichen Völ-
kern des Morgenlandes, Christen und Saracenen, war in fortgehender
Steigerung ein so gewaltiger Drang und Trieb nach eigner Weiterbil-
dung unter die Deutschen und ihre nächsten Nachbarn gekommen, daß
mit dem Beginn des zwölften Jahrhunderts wie aus einer geöffneten
Thür uns eine unabsehbare Schaar von Gelehrten und Schriftstellern,
von Dichtern und Sängern, von Künstlern und ausgezeichneten Män-
nern aller Art entgegentritt. Es ist die Vlüthezeit des Mittelalters, in
die wir eingetreten sind — die höchste Mannigfaltigkeit der Gaben,
Kräfte, Talente, Aemter, Würden, Trachten, Sitten unter der Alles
überschattenden Einheit der von Gott hoch erhobenen römischen Kircke
und des päpstlichen Scepters.
§. 5. Kreuzzug wider die Wenden.
Zu gleicher Zeit mit dem zweiten Kreuzzug wider die Sarace-
nen, der so unglücklich auslief, wurde noch ein anderer Kreuzzug un-
ternommen, der das weite Reich des Papstes wieder um ein bedeuten-
des Stück vergrößerte. Es ist schon früher erwähnt (S. 376), daß die
schönen Eroberungen und Stiftungen Heinrich' s I. und der Ottonen
zwischen Elbe und Oder unter den schwächeren Kaisern, besonders
unter Heinrich Iv. fast gänzlich wieder verfallen waren und daß
auch Polen und Böhmen immer nur in sehr zweifelhafter Abhängig-
keit vom deutschen Reiche standen. Polen war aber indeß, eben so
wie Böhmen, ein durchaus christliches Land geworden, hatte Bischöfe
und Erzbischöfe, Kirchen und Klöster und sorgte für Ausbreitung deö
Christenthums auch in denjenigen heidnischen Ländern, die es eroberte,
absonderlich in Pommern. Der Polenherzog Boleslav lud selbst
den deutschen Bischof Otto von Bamberg ein, mit ihm und unter-
feinem Schutz nach Pommern zu ziehen, um die reichen und lebens-
frohen Pommern zu bekehren. Wirklich gelang es dem Bamberger
Bischof und dem polnischen Herzog, die Kirche in Pommern wenig-
stens zu begründen. Dagegen die vom Kaiser und von den Sach-
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Extrahierte Personennamen: Bernhard Bernhard Heinrich_Iv Heinrich Polenherzog_Boleslav Otto_von_Bamberg Otto
400
Xxi. §. 5. Kreuzzug wider die Wenden.
senherzögen eingesetzten Markgrafen im Wendenland und die Erz-
bischöfe von Magdeburg hatten nun fast hundert Jahre hindurch zu-
gesehen, wie alle christlichen Stiftungen im Wenden lande zwischen
Elbe und Oder immer auf's Neue wieder von den empörten Heiden
vernichtet wurden, also daß auf dem rechten Elbufer nur gar wenig
Christen zu finden waren. Als nun Bernhard von Clairvaux
im Namen des Papstes Eugen die Deutschen zur Kreuzfahrt nach
Jerusalem aufforderte, antworteten mehrere norddeutsche Fürsten ganz
verständig: sie hätten Heiden genug in der Nähe zu bekämpfen und
brauchten deshalb nicht erst nach Asten zu ziehen. Dem frommen
Bernhard war solche Antwort höchst befremdend. Er hatte gar
nicht geglaubt, daß an den Grenzen, ja eigentlich im Schooße des
deutschen Reichs die Heiden seit Jahrhunderten von den christlichen
Fürsten in Ruhe gelassen wurden. Er strafte die Fürsten hart ob
solcher Säumigkeit und betrieb jetzt selbst die Unternehmung eines
Kreuzzuges gegen die heidnischen Wenden mit größtem Eifer. Die-
selben Gnaden und Segnungen wie den Kreuzfahrern gegen Jeru-
salem sollten denen zu Theil werden, die das wendische Kreuz näh-
men (1147). Es war ihrer eine ziemlich bedeutende Zahl, an der
Spitze der Herzog von Sachsen Heinrich der Löwe und dessen
Schwiegervater Herzog Konrad von Zähringen (dessen Besitzungen
im Elsaß, Baden, Schweiz und Burgund zu suchen sind). An 100,000
Streiter zogen mit ihnen. Sie theilten sich in zwei Haufen. Der
eine wandte sich gegen Niclot, den Obotritenfürst, dessen Reich an
dem Ufer der Ostsee entlang etwa von Lübeck bis nach Stralsund
reichte. Der andere zog von Magdeburg aus gegen die untere
Oder. Große Kriegsthaten sind freilich nicht geschehen; aber der
Hauptzweck des Zuges wurde erreicht. Der Schrecken über solch ein
gewaltiges, von kirchlichem Eifer erfülltes Heer war unter den Wen-
den so groß und wirkte so nachhaltig, daß überall das Christenthum
ohne Widerstreben zugelassen wurde. Ueberall wurden Kirchen und
Klöster, Domstister und Schulen neu gegründet oder wiederhergestellt;
Priester und christliche Ansiedler aus Deutschland kamen in's Land;
der Herzog von Sachsen und seine Grafen konnten ungestört und
mit fester Hand die christliche Herrschaft führen, und wenn auch lang-
sam, so ging doch Schritt vor Schritt das bisher so widerspenstige,
rohe, abgöttische Volk einer völligen Umwandlung entgegen. Der
letzte heidnische Tempel, der umgestürzt wurde, war der Tempel des
Svan tev i t auf der Nordspitze Deutschlands, zu Arcona auf Rügen;
er wurde 1169 von den Dänen zerstört.
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Extrahierte Personennamen: Bernhard_von_Clairvaux Eugen Bernhard Heinrich_der_Löwe Heinrich Konrad_von_Zähringen Konrad
Xxi. §. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I. rc. 401
Schwerlich würde dies Ziel im nordöstlichen Deutschland so bald
erreicht sein, wenn nicht eben damals in der Mark Brandenburg ein
Mann aufgetreten wäre, den wir mit Stolz und Freude als den Be-
gründer des später so ruhmreichen brandenburgisch-preußischen Staates
begrüßen. Markgraf Albrecht von Ballenstädt, gewöhnlich Albrecht
der Bär genannt, aus dem Hause der Askanier, war vom Kaiser
Lothar von Sachsen 1134 und dann noch förmlicher von Kaiser
Konrad Iii. 1142 mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt und
zwar so, daß er nicht mehr abhängig von Sachsen, sondern als selb-
ständiger Reichsfürst seine Markgrafschaft erblich besitzen solle mit allen
den Ehren und Rechten, welche sonst nur Herzögen zukommen. Er
ward Erzkämmerer des deutschen Reichs, so wie die übrigen Herzöge
Erzmarschall, Erzmundschenk, Erztruchseß u. s. w. waren. Er benutzte
den erwähnten wendischen Kreuzzug sogleich, um seine Herrschaft bis an
die Oder auszubreiten, und war entschlossen, das Heidenthum um jeden
Preis niederzukümpfen und das Christenrhum zur alleinigen Herrschaft
zu erbeben. Deshalb berief er sofort deutsche, besonders holländische
Colonisten in das entvölkerte und verödete Land, die den Boden fleißig
anbauten, Städte gründeten und zahlreiche Dörfer anlegten, lieberall
erhüben sich die schützenden Burgen mächtiger Ritter, gelehrte Mönche
und fromme Priester kamen schaarenweise herbei; die lange darnieder-
liegenden Bisthümer von Havelberg und Brandenburg wurden glänzender
als je wieder aufgerichtet und fester begründet. Auch die seit dem ersten
Kreuzzug im gelobten Lande gestifteten kriegerischen Mönchsorden der
Johanniter und Tempelherren bat ec um Ueberlassung einer
Anzahl von Brüdern und Rittern, die mit den Werken der Liebe und
mit der Kraft des Schwertes die Ueberreste des Heidenlhums völlig zu
Boden werfen sollten. Und wunderbar blühte das Land unter seiner
eignen und seiner askanischen Nachfolger kräftiger Leitung auf. Ueberall
wurden Wälder ausgerodet, Sümpfe ausgetrocknet, öde Haidestrecken
urbar gemacht, Wohlstand und rege Thütigkeit konnte man nach allen
Seiten hin mit Behagen wahrnehmen. Selbst die Wenden, die als
Besiegte das schwere Loos hatten, Leibeigene der deutschen Sieger zu
werden, wurden von der frischen und strebsamen Thätigkeit der deutschen
Ansiedler mit fortgerissen, entsagten dem trägen Brüten und sinnlichen
Nichtsthun und wetteiferten mit ihren Grundherren im Anbau des Bo-
dens und in der Erweiterung der Cultur. Die mildere Sinnesart, die
mit dem Christentyum in's Land gekommen war, verschaffte vielen
solcher wendischen Dienstleute die Freiheit und allmälig verschmolzen
sie mit ihren deutschen Ueberwindern zu einem kräftigen und lebens-
frischen Volksstamm, dem eine große Zukunft aufbehalten war.
§. 6. Neue Siege der Päpste über Kaiser Friedrich I.
und den König von England.
Hatten bisher die Päpste seit Gregor's Vii. Zeit einen Sieg
nach dem andern über die Kaiser und Könige erlangt und ihre theo-
kratische Oberherrschaft trotz alles Widerstandes immer durchführen
v. Nohden, Leitfaden. 26
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Albrecht_von_Ballenstädt Albrecht Albrecht Lothar_von_Sachsen Konrad_Iii Konrad Friedrich_I. Friedrich_I.
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Brandenburg Sachsen Havelberg Brandenburg England
Xxii. §. 6. Erstes Hervortreten Frankreichs als Feind und Dränger re. 415
Wir müssen hier noch besonders an zwei wichtige Erwerbungen
deutscher Fürstenhäuser erinnern, welche zwar nur für jene Uebergangs-
zeit gelten sollten und deshalb auch selber vorübergehend waren. Aber
sie bereiteten doch die künftigen bleibenden Zustände vor und dienen zu-
gleich zur Erklärung der Haltung und des Schicksals des Kaisers
Ludwig. Das war nämlich die Erwerbung der böhmischen und mäh-
rischen Lande durch das Haus Luremburg, und der Mark Branden-
burg durch das bayerische Hauö Wittelsbach. Auf Böhmen und
Mähren, sahen wir, hatten schon längere Zeit die östreichischen Habs-
burger gewartet, aber es war ihnen für jetzt noch nicht beschieden. Sie
sollten erst in den neu erworbenen östreichischen Landen tiefer unter
sich wurzeln und sich läutern, ehe ihrer Hand das Größere vertraut
würde. Dagegen konnte Kaiser Heinrich der Luxemburger gleich beim
Antritt seiner Regierung seinen Sohn Johann mit dem böhmischen
Reich belehnen, und so dem luremburgischen Geschlecht eine Hausmacht
in Deutschland gründen, welche es ein ganzes Jahrhundert hindurch
zu einem der mächtigsten und angesehensten Fürstengeschlechter erhob und
lange Zeit auch in Besitz der Kaiserkrone erhielt. Schon jener Jo-
hann, Heinrich's Vii. Sohn, würde ohne Zweifel seinem Vater in der
Kaiserwürde gefolgt sein, wenn er nicht noch unmündig gewesen wäre.
Aber Johann's Sohn, Heinrich's Enkel, war eben jener Carl Iv.,
aus den nach Ludwig's Tode die Kaiserkrone überging (1347) und
bei vessen Geschlechts sie blieb bis 1437. Ludwig der Bayer aber
hatte seine kaiserliche Gewalt nicht minder zur Erweiterung seiner Haus-
macht benutzt. Das ehrenwerthe ballenstädtische Haus, welches seit
Albrecht dem Bär die Markgrafschaft Brandenburg besessen und
tressiich verwaltet hatte, war 1320 ausgestorben, und jetzt hatte der
Kaiser seinen gleichnamigen Sohn Ludwig mit jenen großen und
blühenden Gebieten belehnt — nicht zum Segen der Markgrafschaft.
Während Ludwig's und der späteren bayerischen Markgrafen Verwal-
tung (1324—73) sank das bisher so wohl gepsiegte und fröhlich sich
entwickelnde Land durch die Feindschaft mächtiger Gegner, durch innere
Zwistigkeiten, durch Nachlässigkeit und Untüchtigkeit der Fürsten in eine
traurige Zerrüttung, die später schwer zu heilen war. Wie hätte es
auch anders sein können, da sogar das Oberhaupt der Christenheit,
Papst Johann Xxii., die rohen polnischen Slavenhorden, ja die
heidnischen Lithauer in's Land rief und sie zu allen Verwüstungen,
Greueln und Freveln ermuthigte, nur um dem verhaßten Kaiser Ludwig
und dessen Sohn dem Markgrafen, desto empfindlicher« Schaden zu
thun. Der Kaiser freilich säumte seinerseits auch nicht, dem Papst mit
gleichem Maße zu messen. Aber seine Unternehmungen waren viel zu
gewagt und unbedacht, als daß sie ihren Zweck hätten erreichen kön-
nen. Sie wandten sich vielmehr wider ihn selber zurück. Ungewarnt
durch das Beispiel Heinrich's Vii., der sich der italienischen Kaiser-
herrlichkeit wieder einmal hatte gelüsten lassen und dadurch seinen
frühen Tod herbeigeführt, ging auch Ludwig nach Italien, um den
Papst im Mittelpunkte seiner Macht anzugreifen. Aber nachdem er
sich dort von etlichen gebannten Bischöfen die Kaiserkrone hatte aufsetzen,
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Heinrich_der_Luxemburger Heinrich Johann Carl_Iv. Ludwig_der_Bayer Ludwig Albrecht Ludwig Ludwig Johann_Xxii Johann Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Haus_Luremburg Hauö_Wittelsbach Deutschland Ludwig's Italien
452 Xxü. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Papstthums.
hat freilich sein roher und träger Sohn Wenzel wieder umgestürzt
oder verfallen lassen. Doch blieb Böhmen noch immer eines der
am meisten vorgeschrittenen deutschen Länder. Schwerer mußten es die
Marken empfinden, daß die feste und weise Hand Kaiser Karl's
nicht ntehr die Regierung führte. Sie kamen in die Hände Sieg-
ln und's, der aber viel zu sehr mit der Erwerbung der ungarischen Krone
beschäftigt war (er hatte die Erbtochter von Ungarn geheirathet) und seine
deutschen Länder schmählich aussaugen und verkommen ließ. Aber dieser
jammervolle Zustand sollte für die Mark Brandenburg nur Einleitung
und Uebergang sein für eine desto schönere und bedeutungsvolle Zu-
kunft, die mit dem Eintritt des glorreichen und gesegneten hohenzoller-
schen Hauses begann. Unfähig, die Marken selber zu verwalten, in be-
ständiger Geldverlegenheit und dem Burggrafen Friedrich mannig-
fach verpflichtet, übergab Siegmund dem Hohenzoller Friedrich,
Burggraf von Nürnberg, die Mark Brandenburg, erst nur pfandweise,
dann 1415 als eignes Kurfürstenthum, ihm und seinen Erben mit allen
Rechten eines deutschen Reichsfürsten und Erzkämmerers. Damals
ahnte Siegmund schwerlich, wie schnell sein eigner Stamm ver-
löschen und wie hehr und gewaltig der königliche Baum erwachsen
werde, dessen erstes Reis er damals in den brandenburgifchen Boden
senkte.
§. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des
Pap st th ums.
Schwerlich würde Deutschland den großen Umschwung seiner
Verfassung, da es aus einem Lebenstaat zu einer Fürsten- und Stüdte-
republik sich umgestaltete, so ungestört haben vollziehen können, wären
nicht seine beiden alten Widersacher, Frankreich und die Päpste, voll-
ständig nach einer andern Seite in Anspruch genommen und selbst
in einem bedenklichen Rückgang ihrer Macht begriffen gewesen. Frank-
reich war in einen schweren Krieg mit England verwickelt; denn
der König Eduard Iii. behauptete nach dem Aussterben der
Hauptlinie der Capetinger (1328), ein näheres ^Anrecht auf
den französischen Thron zu haben als die Seitenlinie der Valois, und
da nun König Philipp Vi. von Valois die englischen Besi-
tzungen in Frankreich angriff (fast das ganze südwestliche Frank-
reich gehörte damals dem englischen Könige), so entspann sich
ein blutiger und langwieriger Krieg, der hauptsächlich auf fran-
zösischem Boden ausgefochten wurde und das französische Reich
mehr als ein Mal an den Rand des Verderbens brachte. In
der furchtbaren Schlacht von Cressy 1346 sollen elf französische
Prinzen und 1200 Ritter umgekommen sein. In der Schlacht von
Poitierö 1356 wurde König Johann, der seinem Vater Philipp
TM Hauptwörter (50): [T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_mannig- Friedrich Siegmund_dem_Hohenzoller_Friedrich Friedrich Burggraf_von_Nürnberg Siegmund Eduard Philipp_Vi Philipp Cressy König_Johann Johann
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Ungarn Brandenburg Brandenburg Frankreichs Deutschland Frankreich England Frankreich Frank-
Xix. §. 16. Eintritt der Mähren, Böhmen !I. Polen in die christliche Kirche. Z57
getroffen, daß die römische Form und Sprache bei den Mähren nicht
in Vergessenheit gerieth, sondern allmälig wieder die Oberhand bekam
und die slavischen Gottesdienste beschränkte. Trotz aller Versuche
Svatopluk's, sich und sein Reich dem deutschen Einfluß wieder zu
entziehen, trotz aller seiner Kämpfe gegen Ludwig des Deutschen
Sohn und Enkel: Karl den Dicken (876—888) und Arnulf
887—899), sah er sich durch die römische Geistlichkeit wie mit un-
widerstehlichen Klammern an das christliche Nachbarland gefesselt,
und man sagt, daß der Mißmuth über die Erfolglosigkeit seines Stre-
bens ihn endlich bewogen habe, die Regierung niederzulegen und
seine letzten Tage als Einsiedler hinzubringen. Die furchtbaren Ma-
gyarenkriege, die nun begannen und mit der Zertrümmerung des mähri-
schen Reiches endeten, zerstörten zwar einen großen Theil der christ-
lichen Schöpfungen wieder. Doch erstarkte allmälig die Macht und
der christliche Sinn der Böhmen und es erweiterte sich das Gebiet
des Böhmerherzogs so sehr, daß das Erzbisthum Prag mit mehre-
ren untergeordneten Bisthümern seinen Bestand hinlänglich gesi-
chert sah.
Es dauerte übrigens noch geraume Zeit, bis ganz Böhmen (das
heißt nach dem Zerfall des mährischen Reichs die jetzigen Länder Böh-
men und Mähren) völlig für das Christenthum gewonnen war. Sehr
lange kämpfte auch hier noch eine heidnische Partei gegen die Allein-
herrschaft der christlichen Kirche. Der erste Böhmenherzog, der das
Christenthum am Hofe feines Oberherrn, des Svatopluk von Mäh-
ren, kennen gelernt und angenommen hatte, Borziwoi, wollte sogleich
das Heidenthum aus seinem Land und Volk ausgerottet wissen. Aber
die Heiden hatten noch die Uebermacht im Lande. Sie verjagten den
christlich gewordenen Fürsten, und nur nach schweren Kämpfen ver-
mochte er sich wieder in den Besitz seines Herzogthums zu setzen.
Dieselbe Unentschiedenheit dauerte noch unter Borziwoi's Sohn
Wratislav fort, und als dieser starb, 925, schien das Heidenthum
wieder den vollständigen Sieg gewinnen zu wollen. Denn seine Wittwe
Drahomira, die sich der Regierung bemächtigte, stellte sofort alle
heidnischen Tempel und Götzen wieder her, ermordete ihre fromme
Schwiegermutter Lud milla, die Wittwe Bor z i wo i's, und verfolgte
alle Christen, besonders die Geistlichkeit in ihrem Lande. Eben so
machte es ihr jüngerer Sohn Boleslav, der den ältern Bruder
Wenzeslav, einen eifrigen Christen, aber untüchtigen Regenten, 938
vom Throne stieß, ermordete und mit allem Eifer das Heidenthum wie-
der aufzurichten suchte. Aber die Hand des Herrn wußte ihn zu fin-
den. Schwere Unglücksfälle brachen über ihn herein. Im Kriege ge-
gen die Deutschen erlitt er eine Niederlage über die andere, in sein
eignes Haus war Noch und Elend gedrungen. Gegen sein Lebensende
beugte er sich, anfangs widerwillig, nachher in freier Ueberzeugung vor
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_des Ludwig Karl Karl Drahomira
382 H §• 9. Uebergang des Kaiserthums vvn dem sächsischen Hause re.
lichkeit in den Bisthümern und Klöstern immer ausgedehntere Be-
fugnisse und herrschaftliche Rechte zugestand. Die deutschen Bischöfe
waren seine Minister, seine Feldherren und seine Unterhändler und Ge-
sandten, sie bildeten seine Kanzlei und seinen Staatsrath, ihnen ver-
traute er am liebsten die Verwaltung der deutschen Territorien an.
Fast kein Abt oder Bischof war da, der nicht ein bedeutendes Landge-
biet besessen und es als Graf oder mit herzoglichen Rechten zu verwalten
gehabt hätte. Auf die Anhänglichkeit der Geistlichen suchte Heinrich
die Sicherheit und Macht seines Thrones zu gründen. Sein Nach-
folger Konrad Ii. dagegen wählte ein anderes Mittel. Er begün-
stigte die damals besonders im südlichen Deutschland aufblühen-
den Städte, er suchte die Reichsdienstmannen und die freien
Leute wieder mehr in das Interesse des Königs zu ziehen, er hob den
niedern Adel, die kleineren Lehensträger, absichtlich empor gegen die
großen Herzöge und Markgrafen, deren Zahl und Macht er möglichst
zu verringern suchte. Und wirklich schienen diese Maßregeln für den
Augenblick einen guten Erfolg zu haben. Denn unter Konrad Ii.
(1024—1039), dem ersten fränkischen Kaiser, der aus der freien
Wahl des deutschen Volkes hervorging, hob sich die königliche Macht
in Deutschland wieder zusehends, sowohl im Innern als nach außen.
Zwar die Mark Schleswig ging für immer an den Dänenkönig ver-
loren. Aber das Wendenland und Polen mußte die deutsche Ober-
hoheit wieder anerkennen. Vor allen Dingen: das burgundische
Reich wird theils durch Waffengewalt, theils durch Erbschaft mit
Deutschland vereinigt. Auch in Italien war der deutsche Einfluß
wieder im Zunehmen begriffen, wiewohl noch viel fehlte, daß der Kai-
ser sich als Herr des Landes betrachten, sich als Schirmvogt des
Papstes und der gesammten Kirche hätte beweisen können. Oder
vielmehr hätte beweisen wollen. Denn dem fränkischen Kaiserhause
fehlte der kirchliche Sinn. Obwohl sich dem Kaiser Konrad persön-
liche Frömmigkeit nicht absprechen läßt, so hatte er doch nicht das mindeste
Verständniß noch Interesse für kirchliche Dinge. Nur wie weit die
Bischöfe und Siebte seinem hochstrebenden Herrsschergelüst dienten,
waren sie ihm werth und wichtig. Uebrigens bekümmerte er sich we-
der um die Reformation im Innern (die Heinrich Ii. anzubahnen
suchte), noch um die Mission nach außen. Ungestört durften die wen-
dischen Vasallen ihre heidnischen Götzenbilder vor dem kaiserlichen Heere
einhertragen und alle Bitten und Gegenvorstellungen der geärgerten
Ehristen ließen den Kaiser unbewegt. Ungescheut knechtete er selbst
die Kirche und ihre Diener wie und wo er nur konnte, ohne zu ahnen,
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Konrad_Ii Konrad Konrad_Ii Konrad Konrad_persön- Konrad Heinrich_Ii Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Polen Deutschland Italien
Xxii. §. 8. Die neue Staatskunst der luxemburgischen Kaiser. 4o1
Rathhäuser, die kühnen Thore und Thürme, die öffentlichen Gebäude
mit ihrem überreichen Schnitzwerk und ihren vielbewunderten Kunst-
schätzen mannigfacher Art. Kurz, in den Städten entfaltete sich theils
unter dem Schutze einsichtiger Fürsten, größtentheils aber in völligster
Freiheit jener ganze Wunderbau germanischen Bürgerthums, der
unser deutsches Volk weit über alle anderen Völker erhoben hat.
Es ist leicht begreiflich, daß bei solchem Neichthum innern Lebens
das deutsche Volk sich nicht sehr um die Abwesenheit oder Schwäche
der Kaisermacht bekümmerte. Wenn auch die Fürsten oder einzelne
Corporationen, welche durch übermächtige Gegner Noth litten, die Her-
stellung eines kräftigen kaiserlichen Regimentes wünschten und auch
einmal den Versuch machten, an des „faulen" Wenzel Stelle einen
andern, thätigern Fürsten, den Ruprecht von der Pfalz zum Kai-
ser zu erheben (1400—1410), so blieb doch das Volk im Ganzen von
diesem Wechsel unberührt. Früher würde doch wenigstens ein Kampf
zwischen den beiden Gegenkaisern und ihren Anhängern entstanden sein;
jetzt fiel es fast Niemandem ein, sich entweder für den Wenzel oder
den Ruprecht zu entscheiden und Partei zu nehmen. Man kümmerte
sich um den Einen so wenig, wie um den Andern. Selbst als Wen-
zel mehrere Male in die Gefangenschaft seines eignen Bruders Sieg-
mund gerieth, griffen die deutschen Reichsfürsten nicht ein, wenig-
stens nicht in kräftiger und entscheidender Weise. Was die Luxemburger
im Innern ihrer Erbländer thaten, das ging ja, so war die Stim-
mung, keinen der deutschen Fürsten etwas an. Und doch war ihre
Wirksamkeit in jenen östlichen Gebieten Deutschlands von der größten
Wichtigkeit und Bedeutung. Sie haben diese slavischen Länder erst
eigentlich für Deutschland erobert, zu vorwiegend deutschen Län-
dern gemacht. So wenig Karl Iv. für Deutschland gethan hat, so
thätig und einsichtig sorgte er für sein liebes Böhmen. Da wußte er
vor allen Dingen die öffentliche Sicherheit und die Gerechtigkeitspstege
wieder herzustellen, da war er unablässig beschäftigt, Wege zu bahnen,
Brücken und Straßen anzulegen, Flüsse schiffbar zu machen, den Land-
bau, Handel und Gewerbe zu beleben. Deutsche Ansiedler zog er in's
Land, begünstigte ihre Sprache, ihre Gesetze, ihre Sitten, ihre betrieb-
samen Unternehmungen. Gelehrte und Künstler fanden an seinem
Hofe ehrenvolle Aufnahme. Die böhmischen Städte strahlten von
Prachtbauten, Kirchen und Palästen, die er aufführen ließ, in Prag er-
richtete er (1348) eine Universität, neben Heidelberg die erste in Deutsch-
land. Und wie für Böhmen, so sorgte er mit gleichem Eifer für
Schlesien, für die Lausitz, für Brandenburg, denn alle diese weiten
Landschaften hatte er theils durch Heirath, theils durch Erbvertrag oder
Ankauf zu seinem Böhmen und Mähren hinzugezogen, so daß sich sein
Erbreich im Osten Deutschlands fast von der Donau bis zur Ostsee
erstreckte. Viel von dem, was dieser thätige und geistreiche Fürst, der
leider nach seiner welschen Art nur zu sehr den „materiellen Interessen"
dienstbar war, für das Wohl seiner Länder gegründet und aufgebaut,
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Extrahierte Personennamen: Wenzel Karl_Iv Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Deutschland Prag Heidelberg Deutsch- Brandenburg Deutschlands Donau Ostsee
358 Xix. §. 17. Papst Nicolaus I. und die Kirchenspaltung.
dem Gott der Christen, und durch seinen Sohn, Boleslav den Mil-
den. ward die Gründung der böhmischen Kirche vollendet. Sie er-
starkte bald so sehr, daß von ihr aus Missionsversuche in der Nähe
und Ferne unternommen wurden, unter den benachbarten Magyaren und
unter den heidnischen Preußen an der Ostsee. Der berühmte Bischof
Adalbert von Prag stand selber an der Spitze. Doch hatten diese
Versuche keinen nennenswerthen Erfolg. Dagegen ward von Böhmen
aus das Christenthum nach Polen hinübergepflanzt, freilich nicht sowohl
durch Missionare als durch eine politische Verbindung. Der Polen-
herzog Miecislav verlangte die böhmische Prinzessin Dambrowka
zur Ehe. Aber die christliche Prinzessin wollte nicht anders einwilligen,
als wenn ihr Gemahl zum Christenthum überträte. Er that es und
alles Volk mußte ihm folgen (966). Der alte heidnische Cultus wurde
mit Gewalt unterdrückt, die Polen zur Annahme christlicher Gebräuche
gezwungen, und jede heidnische Widersetzlichkeit strenge geahndet. Auch
in Polen ward ein römisches Erzbisthum gegründet mit mehreren Bis-
thümern, und somit auch diese wichtige Kirchenprovinz dem großen
Kirchensystem des Abendlandes eingeordnet. Im Ganzen mögen wir
also sagen, daß mit dem Anbeginn des zweiten Jahrtausend nach Christo
die Christianisirung des nördlichen und östlichen Europa vollendet war.
Denn die damals noch übrigbleibenden heidnischen Länder, nämlich die
Ostseeprovinzen Pommern, Preußen, Liefland, Litlhauen, Esthland,
Kurland, dazu Finnland und selbst noch ein Theil von Holstein, von
Mecklenburg und der brandenburgischen und schlesischen Landen wa-
ren so sehr von christlichen Ländern und Fürsten umgrenzt und einge-
schlvssen, daß auch sie nothwendig in der Kürze dem allgemeinen Zuge
folgen und in die christliche Kirche eintreten mußten.
§. 17. Papst Nicolaus I. und die Kirchenspaltung.
Während sich die römische Kirche und somit das Gebiet der
päpstlichen Herrschaft nach allen Seiten ausbreitete, saßen freilich auf
dem päpstlichen Stuhl keine solche Männer, die in Wahrheit als
Oberhirten der ganzen lateinischen Christenheit sich erwiesen. In die
Streitigkeiten der römischen Großen und der italienischen Fürsten ver-
flochten, ohne persönliche Kraft und Würde, ließen sie es ruhig ge-
schehen, daß Geistliche und Mönche in der Ferne wie in der Nähe
des päpstlichen Hofes verwilderten, in Unwissenheit und Rohheit da-
hinlebten, abergläubischen Mißbrauch des Heiligen einführten und be-
förderten, und ihre Sprengel auf unverantwortliche Weise verwahr-
losten. Inzwischen griffen die Herrscher in allen Theilen des aufge-
lösten Frankenreiches zu, rissen das Kirchengut an sich, besetzten die
geistlichen Stellen nach ihrem Belieben, größtentheilö mit unwürdigen
Leuten, vergewaltigten die Bischöfe, schnitten ihnen die Verbindung
mit den Päpsten ab und brachten die Angelegenheiten deö gesammten
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